BAG zur Einordnung des besonderen Vertreters als Arbeitnehmer

21.11.2024
Gemeinnützigkeit
3 Minuten

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Beschluss vom 11.07.2024 (Az. 9 AZB 9/24) entschieden, dass der besondere Vertreter im Sinne von § 30 S. 1 BGB als Arbeitnehmer gilt, wenn er vom Verein wirtschaftlich abhängig ist und seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig ist.

Das BAG bestätigt hiermit den Beschluss des Landesarbeitsgerichts (LAG) Sachsen vom 12.03.2024 (Az. 1 Ta 17/24) über welchen wir bereits am 4. April 2024 im Artikel "Rechtsweg für Klage eines besonderen Vertreters eines Vereins" umfassend berichteten.

Hintergrund

Der besondere Vertreter im Sinne von § 30 BGB (oftmals als Geschäftsführer bezeichnet) ist ein mit organschaftlicher Vertretungsmacht ausgestatteter Repräsentant des Vereins. Die Möglichkeit seiner Bestellung muss in der Satzung vorgeschrieben sein, ebenso, wie der Umfang der ihm übertragenen Aufgaben. Im Verhältnis zum Vorstand wird der besondere Vertreter als nachrangig zu betrachten sein und unterliegt darüber hinaus regelmäßig der Weisung des Vorstands. Die Vertretungsmacht des besonderen Vertreters kann im Innenverhältnis beschränkt werden.

Sachverhalt

Die Klägerin war gemäß einem Geschäftsführervertrag vom 25.07.2019 als Geschäftsführerin des Vereins tätig. Ihre Aufgaben umfassten die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung des Vereins, wobei ihre Vertretungsmacht gemäß Satzung und Vertrag stark eingeschränkt war. Sie wandte sich vor den Arbeitsgerichten gegen die ordentliche Kündigung ihres Anstellungsverhältnisses sowie die Ablehnung ihres Antrags auf Elternzeit. Zusätzlich verlangte die Klägerin eine Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund ihrer Mutterschaft und beantragte die Feststellung der Zulässigkeit des Arbeitsgerichtswegs. Die Klageerhebung fand ausdrücklich nach Erlöschen der ihr übertragenen Vertretungsmacht statt. Der beklagte Verein, der gemeinnützige Zwecke verfolgt und etwa 35 Beschäftigte hat, vertrat die Auffassung, dass die Arbeitsgerichte für diesen Fall nicht zuständig seien, da die Klägerin in ihrer Funktion als besondere Vertreterin nach § 30 BGB nicht als Arbeitnehmerin gelte.

In der Vorinstanz erklärte das LAG die Arbeitsgerichte für zuständig. Gegen diese Entscheidung wandte sich der Verein im Rahmen der Revision an das BAG.

Entscheidung des Gerichts

Das BAG betonte, dass die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG entfalle, wenn Personen aufgrund ihrer Funktion als Organvertreter für einen Verein oder eine juristische Person tätig seien. Diese gesetzliche Fiktion diene dazu, Rechtsstreitigkeiten zwischen „Arbeitgeberorganen“ und deren juristischer Person vor den ordentlichen Gerichten zu führen. Im vorliegenden Fall ende diese Fiktion jedoch mit dem Widerruf der der Klägerin erteilten Vollmacht im Oktober 2023 (§§ 167, 168 BGB). Somit konnte sie nicht mehr als Vertreterin des Vereins auftreten und die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG entfiel. Die Klägerin könne daher den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten beschreiten.

Das BAG schloss sich darüber hinaus der Auffassung des Landesarbeitsgerichts (LAG) an, dass die Klägerin zumindest als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG anzusehen sei. Die Klägerin war in einer Vollzeitstelle mit 40 Stunden wöchentlich für den Verein tätig und erhielt ein Bruttogehalt von 3.800 Euro. Sie konnte keine weiteren Einkünfte erzielen, die ihre Existenz maßgeblich gesichert hätten, was ihre wirtschaftliche Abhängigkeit belegen würde. Aufgrund der Weisungsgebundenheit und der strikten Beschränkung ihrer Vertretungsmacht sei die Klägerin auch in ihrer sozialen Stellung vergleichbar mit einem Arbeitnehmer. Ihre vertraglichen Verpflichtungen würden umfassend durch Weisungen und Vorgaben des Vereinsvorstands geregelt.

Der Feststellungsantrag, dass die Kündigung unwirksam sei, wurde vom BAG nicht direkt geprüft, sondern das Gericht beschränkte sich auf die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit. Die endgültige Entscheidung über die Kündigung und die weiteren Klageanträge obliegt der Tatsacheninstanz.

Ausblick

Wird einem besonderen Vertreter nach § 30 BGB die Vollmacht entzogen, entfällt die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG und die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist eröffnet. Organisationen sollten bei der Gestaltung von Geschäftsführerverträgen und Vollmachten die Abgrenzung zwischen arbeitnehmerähnlichen Personen und Organvertretern sorgfältig beachten, um unerwartete arbeitsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Bei der Beurteilung kommt es maßgeblich auf die Vertretungsmacht und die übernommenen Aufgaben an.

Bildnachweis:Salivanchuk Semen/Stock-Foto ID: 1379063870

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