Eine (kleine) Reform des Gemeinnützigkeitsrechts vor dem Durchbruch

11.07.2024
Gemeinnützigkeit
5 Minuten

Mit dem am 10. Juli 2024 erschienenen Referentenentwurf eines zweiten Jahressteuergesetzes 2024 (JStG 2024 II) werden unter anderem auch die lang erwarteten Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht angekündigt. Hierbei handelt es sich zwar nicht um viele, jedoch weitreichende Erleichterungen für gemeinnützige Organisationen, die wir im Folgenden näher beleuchten.

§ 58 Nr. 11 AO – Politische Betätigung außerhalb von Satzungszwecke

§ 58 Nr. 1-10 AO beinhaltet zahlreiche Betätigungen gemeinnütziger Organisationen, welche die Steuervergünstigung nicht ausschließen, obwohl diese mit mindestens einer der drei Gebote (Selbstlosigkeit, Ausschließlichkeit, Unmittelbarkeit) kollidieren. Die in der Praxis wohl wichtigste und meistgenutzte Regelung dieser Norm ist wohl jene, die es steuerbegünstigten Körperschaften erlaubt, einer anderen Körperschaft oder juristischen Person des öffentlichen Rechts Mittel für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke zuzuwenden (§ 58 Nr. 1 AO).

Nach dem Referentenentwurf soll in § 58 AO nun eine neue Nr. 11 eingefügt werden. Danach würde die Steuervergünstigung nicht dadurch ausgeschlossen, dass „eine steuerbegünstigte Körperschaft außerhalb ihrer Satzungszwecke gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung nimmt.“

Vereinzelte Äußerungen zu tagespolitischen Themen außerhalb des Satzungszweckes verstoßen zwar grundsätzlich gegen das Ausschließlichkeitsgebot, § 56 AO, wonach eine steuerbegünstigte Körperschaft nur ihre satzungsmäßigen Zwecke verfolgen darf. Allerdings rechtfertigen geringfügige Verstöße unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und dem ihm innewohnenden Bagatellvorbehalt nicht die Aberkennung der Gemeinnützigkeit.

Der Begründung zur Anpassung des Gesetzes ist zu entnehmen, dass „gelegentlich“ jedoch nicht bedeutet, „sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu politischen Themen zu äußern. Die Äußerungen müssen aufgrund eines besonderen Anlasses erfolgen und der steuerbegünstigten Zweckverfolgung untergeordnet sein. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung zugrunde zu legen. Unter diesen Voraussetzungen kann es auch noch unschädlich sein, wenn es aufgrund eines besonderen Anlasses zu wiederholten Äußerungen über einen Zeitraum von mehreren Wochen kommt.

Die Regelung findet beispielsweise Anwendung auf den Aufruf eines Sportvereins gegen „Rassismus“ anlässlich von aktuellen Vorkommnissen z. B. bei einem Fußballspiel. Auch wenn Karnevals- oder Sportvereine sich vereinzelt für Frieden oder gegen Rassismus engagieren und zu Friedens- oder Antirassismus-Demonstrationen aufrufen, soll diese Regelung Geltung entfalten.

Hinweis:
Aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 AO folgt, dass das Betreiben oder Unterstützen von Parteipolitik immer gemeinnützigkeitsschädlich ist, auch wenn es nur gelegentlich erfolgt.

§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO – Zeitnahe Mittelverwendung für alle gemeinnützigen Organisationen abgeschafft

Die in § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO verankerte Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung beinhaltet die gesetzliche Verpflichtung, Mittel (z. B. Spenden, Beiträge, Erträge aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben oder der Vermögensverwaltung) nicht dauerhaft im Vermögen der Körperschaft zu belassen, sondern möglichst zügig für steuerbegünstigte Satzungszwecke auszugeben. Steuerbegünstigte Körperschaften weisen die zeitnahe Mittelverwendung innerhalb ihrer Rechnungslegung zweckmäßigerweise über eine Mittelverwendungsrechnung nach. Ob die Körperschaft tatsächlich gemeinnützig tätig ist und wie sie ihre Mittel einsetzt, kann die Finanzverwaltung anhand der bereits vorhandenen Aufzeichnungen prüfen.

Die Abschaffung der Mittelverwendungsfrist erleichtert unter anderem die Leistungsbeziehungen zwischen gemeinnützigen Körperschaften. Vermietet beispielsweise eine gemeinnützige Körperschaft eine Immobilie, die sie mit zeitnah zu verwendenden Mitteln angeschafft hat, an eine andere gemeinnützige Körperschaft, die diese Immobilie für gemeinnützige Zwecke verwendet, führt diese Nutzungsänderung vom ideellen Bereich in die Vermögensverwaltung bisher zum Wiederaufleben der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung. Die ursprünglich für die Anschaffung aufgebrachten Mittel müssten für den ideellen Bereich nachträglich zeitnah verwendet werden, obwohl sie weiterhin im Objekt „gebunden“ sind.

Nach Ansicht des BMF ist davon auszugehen, dass es im eigenen Interesse der jeweiligen steuerbegünstigten Körperschaften liegt, ihre Mittel weiterhin regelmäßig zeitnah für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden. So sind die Körperschaften z. B. gehalten, mit Rücksicht auf das Spendenaufkommen das Interesse der Spender an einem zügigen Einsatze der eingeworbenen Mittel zur Förderung der steuerbegünstigten Zwecke zu berücksichtigen.

Hinweis:
Die allgemeinen gemeinnützigkeitsrechtlichen Grundsätze, insbesondere der Grundsatz der Ausschließlichkeit nach § 56 AO, bleiben unberührt und stellen sicher, dass es zukünftig in Extremfällen nicht zur Entstehung steuerbegünstigten Körperschaften kommt, die Mittel ansparen, ohne diese dazu zu verwenden, ihre satzungsmäßigen Zwecke nachhaltig zu erfüllen.

§ 58 Nr. 3 Satzteil vor Satz 2 – (Redaktionelle) Änderung bei der Vermögensausstattung

In § 58 Nummer 3 wird der Satzteil vor Satz 2 wie folgt gefasst:

„eine Körperschaft ihre Überschüsse der Einnahmen über die Ausgaben aus der Vermögensverwaltung, ihre Gewinne aus den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ganz oder teilweise und darüber hinaus höchstens 15 Prozent ihrer sonstigen Mittel einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zur Vermögensausstattung zuwendet.“

Hierbei handelt es um eine Folgeänderung zur Aufhebung des § 55 Absatz 1 Nummer 5 AO.

§ 62 – Rücklagenbildung entfällt (komplett)

Diese Norm regelt aktuell die Möglichkeiten und einzelne Vorgaben zur steuerlichen Rücklagenbildung. Eine solche ist jedenfalls dann geboten, wenn Mittel durch die Körperschaft nicht zeitnah, d. h. innerhalb von zwei Jahren nach Zufluss, für steuerbegünstigte satzungsgemäße Zwecke verwendet werden können oder sollen (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO).

Mit dem Wegfall der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung entfällt nun auch die Notwendigkeit zur Rücklagenbildung. Insoweit handelt es sich auch hierbei um eine logische Folgeänderung zu § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO.

§ 63 Abs. 4 AO – Keine Fristsetzung zur Mittelverwendung seitens des Finanzamts mehr

Wurden Mittel bislang nicht zeitnah i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO verwendet, durfte das Finanzamt eine angemessene Frist zur Verwendung der Mittel setzen (§ 63 Abs. 4 AO).

Mit dem Wegfall der korrespondierenden Norm des § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO entfällt nun auch diese Befugnis auf Seiten des Finanzamts. Der bisherige Absatz 5 von § 63 AO wird zum Absatz 4.

Stellungnahme

Mit einer gesetzlichen Regelung in § 58 Nr. 11 AO würde klargestellt, dass steuerbegünstigte Körperschaften auch zu tagespolitischen Themen Stellung beziehen dürfen, ohne dass sie ihre Gemeinnützigkeit gefährden. Auch dem BMF ist klar, dass hierdurch das wichtige demokratische Engagement von gemeinnützigen Körperschaften unterstützt und gefördert wird. Eine gesetzliche Kodifizierung ist für den Anwender sichtbarer und verlässlicher als die bisherige Verwaltungsregelung (AEAO Nr. 16 zu § 52 AO).

Der Wegfall der zeitnahen Mittelverwendung und die Aufhebung der steuerlichen Rücklagenbildung stellen eine starke Vereinfachung auf Seiten der steuerbegünstigten Einrichtungen dar, da hierüber keine separaten Nebenrechnungen mehr erstellt und der Nachweis des zeitnahen Mitteleinsatzes geführt werden muss. Dies entschärft auch die teilweise auftretenden Unsicherheiten bei einem Ausweis dieser (steuerlichen) Rücklagen in einem handelsrechtlichen Jahresabschluss. Insgesamt ist der Begründung des BMF zuzustimmen, dass die zeitnahe Verwendung von steuerbegünstigten Mitteln im eigenen Interesse der gemeinnützigen Einrichtungen liegt.

Wer die Etablierung des E-Sports als eigenständigen Zweck vermisst, der mag vom Referentenentwurf vielleicht enttäuscht worden sein. Für alle anderen steuerbegünstigten Einrichtungen dürften die Änderungen jedoch erfreulich sein. Bis zum 17. Juli 2024 besteht noch die Möglichkeit der Stellungnahme auf Seiten der Verbände, an die dieser Referentenentwurf gerichtet war. Es bleibt zu hoffen, dass die angekündigten Änderungen Bestand haben und spätestens zum Ende des Jahres verabschiedet werden.

Download: Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen (JStG 2024 II)

Bildnachweis:golibo/Stock-Fotografie-ID:685863550

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