Führung von verbalen Streitigkeiten im Verein

13.06.2024
Gemeinnützigkeit
2 Minuten

Das Oberlandesgericht Celle (OLG) hat mit Urteil vom 21.03.2024 (Az. 5 U 114/23) entschieden, dass Streitigkeiten im Verein auch in verbal verschärfter Form geführt werden dürfen. Wichtig sei hierbei eine am Verfassungsrecht orientierte Bewertung und Gewichtung der vorgebrachten Äußerungen.

Hintergrund

Der Bundesgerichtshof (BGH) sowie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) haben in ihrer Rechtsprechung Leitlinien zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen sowie Meinungsäußerungen getroffen. Hierbei wurde auch die sogenannte Sphärentheorie entwickelt, wonach Meinungsäußerungen dann ehrverletzenden Charakter gewinnen können, wenn sie in der Privat- oder Intimsphäre des Rezipienten eingreifen. Äußerungen im Rahmen der sogenannten Sozialsphäre dürfen hingegen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind, da sich die persönliche Entfaltung des Einzelnen von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht, so insbesondere das berufliche und politische Wirken (u. A. BGH, Urt. vom 20.12.2011, VI ZR 261/10). Bei der Einordnung in einer der drei Sphären muss eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen werden.

Sachverhalt

Im Kern stritten die Parteien um den Ausschluss eines Vereinsmitglieds (gleichzeitig auch 1. Schriftführer) aus einem Kleingartenverein. Dieser Streit hat sich jedoch in erster gerichtlicher Instanz von eigentlichen Sachthemen gelöst, denn nunmehr wird über einzelne Äußerungen der Parteien und deren etwaigen ehrverletzenden Charakter gestritten. Unter anderem ging es um Äußerungen des Vereinsvorstands, dass “der Kläger [...] Unwahrheiten und Bösartigkeiten [...] verbreitet habe und versuche damit auch die Mitglieder hinters Licht zu führen [...]” und dass der Kläger “[...] den Verein eigenmächtig und diktatorisch regieren [wolle], als wäre der Verein sein Privateigentum”.

Das ausgeschlossene Vereinsmitglied sah sich durch diese Äußerungen beleidigt und begehrte aufgrund dessen Schadensersatz aufgrund Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Zu Unrecht, wie das OLG nun entschied.

Entscheidung des Gerichts

Der Senat orientierte sich bei seiner Entscheidungsfindung an den durch das BVerfG und den BFH entwickelten Leitlinien zur Abgrenzung von (unwahren) Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen. Bei der Äußerung “Unwahrheiten und Bösartigkeiten” handle es sich nach Ansicht des Gerichts bereits erkennbar um eine Meinungsäußerung, da für den verständigen Rezipienten deutlich würde, dass diese viel zu pauschal und vage seien, um eine unwahre Tatsachenbehauptung darzustellen. Es sei nicht konkret festlegbar und dementsprechend auch nicht dem Beweis zugänglich, was unter diesen Begriffen zu verstehen sei.

Auch sei hierin keine Schmähkritik oder Pauschalbeleidigung zu erkennen, wodurch die Meinungsäußerung hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers zurücktreten könne. Vielmehr erfolge die Äußerung im Vorgang der Auseinandersetzung zwischen den Parteien anlässlich des Vereinslebens. Die Äußerungen würden sich erkennbar nicht auf das Privatleben des Klägers beziehen, sondern vor allem auf seine Tätigkeit als 1. Schriftführer des Vereins und somit seine Sozialsphäre betreffen. Kritik im Vereinsleben müsse nach Ansicht des Gerichts auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen dürfen, solange ein erkennbarer Sachbezug zum Streitthema bestünde. Davon sei vorliegend uneingeschränkt auszugehen.

Auch die Berufung des Klägers hinsichtlich der übrigen Äußerungen müssten unter den genannten Gründen bewertet werden, sodass diese als Meinungsäußerung ohne ehrverletzenden Charakter nicht den Kläger in seinen Rechten verletzten würden.

Ausblick

Die Entscheidung des OLG Celle zeigt, dass Auseinandersetzungen des Vereinslebens durchaus scharf und vereinzelt überspitzt geführt werden dürfen, ohne dass hierdurch sogleich ein schadensersatzpflichtiger Anspruch des Betroffenen entsteht. Aufgrund der basisdemokratischen Struktur von Verein erscheint dies auch zielgerichtet. Ihre Grenzen hat die Meinungsfreiheit in – vom Thema losgelöster - Schmähkritik oder Beleidigungen, die den betroffenen im innersten Kernbereich seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts beeinträchtigen.

Bildnachweis:carlosgaw/Stock-Fotografie-ID:1470190515

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