Keine versicherte Tätigkeit bei Probearbeit: LSG verneint Arbeitsunfall

27.01.2025
Gemeinnützigkeit
4 Minuten

Ehrenamtlich Tätige in gemeinnützigen Organisationen sind grundsätzlich nicht gesetzlich unfallversichert, es sei denn, sie üben eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit aus. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) entschied am 24. Oktober 2024 (Az.: L 10 U 3356/21), dass eine solche „Wie-Beschäftigung“ nicht vorliegt, wenn ein Unfall während einer Schnuppertätigkeit im Verein geschieht.

Hintergrund

Die gesetzliche Unfallversicherung schützt gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten, die infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erlitten werden. Zu den versicherten Tätigkeiten zählen neben abhängigen Beschäftigungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) auch sogenannte „Wie-Beschäftigungen“ gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII. Eine Wie-Beschäftigung liegt vor, wenn eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert für ein fremdes Unternehmen erbracht wird, die typischerweise von abhängig Beschäftigten ausgeführt werden könnte und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmens entspricht. Zudem verlangt die Unfallversicherung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls das Vorliegen eines zeitlich begrenzten Ereignisses mit äußerer Einwirkung auf den Körper sowie eines daraus resultierenden Gesundheitsschadens.

In diesem Fall war zu klären, ob die Klägerin während einer Probearbeit als Eltern-Helferin im Reitverein unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fiel und ob ihre Knieverletzung kausal auf diese Tätigkeit zurückzuführen war.

Sachverhalt

Die Klägerin, geboren 1992, begleitete am 15. März 2019 die Voltigierstunde ihrer Tochter in einem Reitverein. Sie wollte sich dabei ein Bild von den Aufgaben einer Eltern-Helferin machen, um zu entscheiden, ob sie künftig bei Bedarf einspringen könnte. Die Tätigkeit als Eltern-Helferin umfasste typischerweise Hilfestellungen beim Aufwärmen und beim Umgang mit dem Voltigierpferd, jedoch war es den Eltern freigestellt, sich aktiv zu beteiligen oder lediglich zuzusehen.

Während der Voltigierstunde entschied sich die Klägerin freiwillig zur Teilnahme an den Aufwärmübungen, bei denen sie sich nach eigener Aussage „in die Gruppe der Kinder integriert“ fühlte. Bei einer Dehnübung im Ausfallschritt verspürte sie plötzlich einen „Knacks im Knie“ und stürzte. Anschließend wurde bei ihr eine Patellaluxation (Kniescheibenverrenkung) diagnostiziert. Es stellte sich heraus, dass die Klägerin an anatomischen Anomalien litt, die eine Luxation begünstigten.

Der Unfallversicherungsträger lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall mit Bescheid vom 28. Mai 2019 ab. Die Klägerin habe keine versicherte Tätigkeit ausgeübt, da sie nicht als Beschäftigte des Reitvereins tätig gewesen sei und die Tätigkeit keinen wirtschaftlichen Wert für den Verein gehabt habe. Ein Widerspruch gegen diesen Bescheid wurde ebenfalls zurückgewiesen. Das Sozialgericht Heilbronn gab der Klage jedoch statt und stellte fest, dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Dagegen legte der Unfallversicherungsträger Berufung beim Landessozialgericht ein.

Entscheidung des Gerichts

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hob das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn auf und wies die Klage der Klägerin ab. Es entschied, dass das Ereignis vom 15. März 2019 keinen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII darstellt.

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Klägerin keine versicherte Tätigkeit gemäß § 2 SGB VII ausübte. Eine Beschäftigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII lag unstreitig nicht vor, da die Klägerin weder angestellt noch vertraglich an den Reitverein gebunden war. Auch eine „Wie-Beschäftigung“ gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII konnte das Gericht nicht erkennen. Die Klägerin war nicht wie eine Arbeitnehmerin tätig, da ihre Handlung keine wirtschaftlich verwertbare Leistung für den Verein darstellte. Ihr „Einfühlen“ in die Helfertätigkeit diente vorwiegend dazu, zu entscheiden, ob sie zukünftig bei Bedarf helfen wolle, und hatte lediglich einen indirekten Nutzen für den Verein. Eine tatsächliche Anleitung oder Aufsicht der Kinder wurde von der Klägerin nicht übernommen, da an diesem Tag genügend geschulte Übungsleiter anwesend waren.

Weiterhin verneinte das Gericht den erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Tätigkeit der Klägerin und der diagnostizierten Knieverletzung. Laut medizinischen Gutachten handelte es sich bei der Patellaluxation um ein Ereignis, das durch anatomische Anomalien der Klägerin begünstigt wurde. Das Gericht folgte daher der Argumentation, dass das Ereignis wesentlich durch die vorbestehenden gesundheitlichen Dispositionen der Klägerin verursacht wurde.

Mangels versicherter Tätigkeit und hinreichendem Ursachenzusammenhang sah das Gericht keinen Grund für eine Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall. Es entschied zugunsten des Unfallversicherungsträgers und verneinte eine Verletzung der Rechte der Klägerin.

Ausblick

Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg verdeutlicht die strengen Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung. Es hebt hervor, dass eine versicherte Tätigkeit nicht nur formell vorliegen, sondern auch substanzielle Merkmale wie wirtschaftlichen Wert und Nähe zu einer abhängigen Beschäftigung erfüllen muss. Darüber hinaus zeigt das Urteil die Bedeutung der Ursachenzusammenhänge bei Gesundheitsschäden und die Abgrenzung zu anlagebedingten Risikofaktoren auf.

Für vergleichbare Fälle ergibt sich die Notwendigkeit, den genauen Zweck und den wirtschaftlichen Nutzen von Tätigkeiten bei ehrenamtlichen oder unverbindlichen Probearbeiten klar zu definieren. Gemeinnützige Organisationen sollten sicherstellen, dass potenzielle Helferinnen und Helfer über ihren Versicherungsstatus aufgeklärt werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Auch Betroffene sollten prüfen, ob ihr Engagement unter die gesetzlichen Voraussetzungen einer versicherten Tätigkeit fällt.

Falls Sie ähnliche Sachverhalte bewerten oder rechtliche Unterstützung bei der Prüfung von Arbeitsunfällen benötigen, stehen Ihnen Expertinnen und Experten im Bereich des Sozialversicherungsrechts gerne zur Verfügung.

Bildnachweis:sirawit99/Stock-Fotografie-ID:1227493679

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